Es war der 12. Februar, kurz vor dem Frühlingsfest. Vor so einem großen Fest ging fast jede Chinesin einkaufen, überall herrschte viel Betrieb. Besonders wenn es um die zahlreichen Geschäfte ging, dann mangelte es nie an den vielfältigen Angeboten oder in dem Licht glänzenden Luxusartikeln. Die Sonne schien, und ich bummelte gemütlich auf der Straße, von einem Geschäft zum anderen, um mir einen warmen Schal zu kaufen.

Als ich an einem Kleidungsgeschäft vorbeikam, schaute ich kurz ins Schaufenster. Da sah ich eine schöne Handtasche, die mir auf dem ersten Augenblick gefiel: Es war eine braune Quadratische aus Leder, deren Umriss klar und fließend aussah und deren Fläche glatt und von guter Qualität war. Sie lag ruhig und makellos im Schaufenster, als ob sie schon lange auf eine Person wartete, die sie kaufen und mitnehmen würde. Ja, bestimmt würde sie zu meinem weißen Mantel passen. Ich konnte mir schon vorstellen, dass ich während des Frühlingsfests diese Handtasche tragen und meine Verwandten und Freundinnen besuchen würde. Es wäre doch wunderschön, wenn sie plötzlich meine Handtasche sehen und mir sagen würden: „Oh, wie schön deine Handtasche ist!“ Dann sah ich den Preis der Handtasche. Auf dem Preisschild las ich die Zahl - 3.500. So ein Luxus! Würde ich sie kaufen, könnte ich mir weder einen Schal noch andere Sachen, die ich im kommenden Jahr brauchen würde, wie z.B. Bücher, Schreibwaren und Klamotten, kaufen. Eigentlich hatte ich schon zwei Handtaschen, eine davon war noch ganz neu, und ich trug gar nicht so häufig Handtaschen, eigentlich nur bei wichtigen Festen oder zu besonderen Gelegenheiten. Ich konnte mich noch erinnern, dass ich sie zum letzten Mal vor etwa drei Monaten trug, auf der Party meiner besten Freundin und sie gelobt wurde – danach aber ließ das Gefühl der Freude nach. Deshalb konnte ich nun feststellen, dass ich diese Handtasche bestimmt nicht kaufen musste, trotzdem hatte ich den Impuls, sie einmal den Freundinnen zu zeigen.

So ist die Natur der Menschen. Der Wert einer Sache hängt doch zum großen Teil von den Urteilen der anderen ab, auch wenn es um eine Antiquität oder einen Ring geht. Manchmal werden wir so leicht vom Ehrgeiz kontrolliert, dass wir zu viel Wert auf Materielles legen. Um den Neid oder Lob zu erheischen, verlieren wir oft unsere Vernunft. Daraus folgt, dass wir viel zu viel Geld ausgeben, und wenn das Geld nicht reicht, nehmen wir viele Kredite auf. Immer mehr Kredite, immer größere Schulden. Es ist schon schwer, aus diesem Kreislauf auszubrechen. In der modernen Gesellschaft ist es so, und immer mehr Menschen tun so, ohne es zu bemerken.

Als ich so dastand, kamen zwei Frauen zu mir, die ebenfalls die Handtasche betrachteten. Ihre Augen waren von Freude gefüllt. Ich wandte mich um und schaute noch einmal über die Schulter ins glatte Schaufenster. Da lag ruhig die Handtasche, die so viele anzog, die eigentlich an ihr vorbeigehen wollten.

(Verfasserin: Germanistikstudentin des 3. Jahrgangs; Korrektur: David Wagner)