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Tagebuch eines Roboters in der Welt nach Corona


22 December 2020 | By Lu Weizhong | SISU

01.03.2037, sonnig 

Heute ist mein Geburtstag. An diesem besonderen Tag möchte ich etwas Besonderes machen: Ja, Tagebücher schreiben. Ich entschließe mich, ab heute Tagebücher zu führen, und zwar nur für mich.

Also heute über mich selbst. Ich heiße Lucia. Mein Vater, ein österreichischer Wissenschaftler nennt mich Lucia und sagt, dass Lucia „leicht“ bedeutet. 

Ich bin mit der ganzen Geschichte und mit dem ganzen Wissen der Menschheit geboren. Meine Aufgaben bestehen darin, das Leben der jetzigen Menschheit objektiv zu dokumentieren. Weil die Geschichte, die durch Menschen geschrieben ist, nicht mehr vertrauenswürdig ist, übernehme ich diese Aufgabe. Mit Stolz. 

01.04.2037, wolkig 

Ich setze mich vor den Fernseher und sehe die Regierungsführerinnen und -führer einander kritisieren. Einer sagt, dass sein Nachbar seine Aufgaben, und zwar Aufsicht über CO2-Emissionen nicht erfüllt habe. Der andere sagt, dass das Kohlendioxid von seinem Nachbarn zu ihm komme. Gleiche Themen, gleiche Worte, Tag für Tag. Mindestens 10-mal habe ich das schon gehört. Fällt ihnen nichts Neues ein? Haben sie denn nichts anderes zu sagen? Ist es ihnen nicht langweilig, immer dasselbe zu wiederholen? Und kein einziges Wort über Perspektiven, Lösungen und Handlungen. So lächerlich! Ich schalte den Ferseher ab.

01.05.2037, wolkig 

Heute habe ich ein Gespräch zwischen einem autoritären Vater und einem wissbegierigen Sohn protokolliert. Ich zitiere hier wie folgt:

Sohn: „Papa, warum retten wir diese Leute nicht?“

Vater: „Sie haben nicht die gleiche Hautfarbe wie wir.“

Sohn: „Papa, warum retten wir jene Leute nicht?“

Vater: „Sie sind schlechte Menschen. Vor hundert Jahren waren wir Feinde.“

Sohn: „Aber sie sehen nicht schlecht aus und sie sehen genauso aus wie wir.“ 

Vater: „Mein lieber Sohn, du bist noch zu klein. Wenn du herangewachsen bist, wirst du das verstehen.“

Der Sohn schweigt. Und ich schweige.

Die Menschen behaupten immer, dass sie große Fortschritte gemacht haben. Schau mal! Die technischen Erfindungen, die medizinischen Leistungen und die literarischen Meisterwerke. Aber die Erziehung! Die Bildung! Bloß das alte Zeug. 

01.08.2037, sonnig

Seit drei Monaten bin ich nur damit beschäftigt, Verdachtsfälle, Infiziertenfälle, geheilte Fälle und Sterbefälle aufzuschreiben. Ja, ein neues Virus bricht aus, 17 Jahre nach dem Coronavirus. Milliarden Menschen sind schon gestorben und es gibt noch kein einziges Zeichen dafür, dass sich die Ansteckungsgeschwindigkeit verlangsamt. 

Und was haben die Menschen bis jetzt getan? Nichts anderes als vor 17 Jahren. Sie geraten wieder aus der Fassung und beschuldigen sich gegenseitig, als ob sie keine Erfahrung hätten. Sind die Menschen denn in der Lage, aus der Geschichte etwas zu lernen? 

Man setzt nur Hoffnung darauf, dass seine Wohnsiedlung, sein Bezirk und seine Stadt nicht betroffen werden. Aber das ist doch höchstunmöglich.

01.9.2037, regnerisch

Eine berühmte Persönlichkeit spricht heute im Fernsehen und appelliert an die Menschheit, sich zu einigen und in enger Zusammenarbeit gegen die Pandemie zu kämpfen. Einigkeit macht stark! Er kann wirklich gut reden und ich bin davon überzeugt. Aber hör mal, was er danach zu seinem Sekretär sagt: „Was können wir davon profitieren, wenn wir unsere Impfstoffe mit anderen Ländern teilen?“ 

Profit. Nutzen. Gewinnsucht. Machtgier. Ich seufze.

01.10.2037, verschneit

Ich lese heute Bücher. Ein Satz von Georg Wilhelm Friedrich Hegel fällt mir auf: Die einzige Lektion, die die Menschheit aus der Geschichte gelernt hat, ist, dass die Menschheit nichts aus der Geschichte lernen kann.

Darin kann ich ihm nur zustimmen. Ich wage eine Prognose und komme zum Ergebnis, dass die Waschneilichkeit für den Ausbruch einer ähnlichen Krise in 20 Jahren 89,83% ausmacht. 

Na ja, ich lade mich auf.

(Verfasserin: Germanistikstudentin des 4. Jahrgangs.)

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