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Gedanken zum Stoff „zwei Mütter eifern um ein Kind“


06 July 2023 | By Xu Xiaobei | SISU

Ferdinand von Richthofen (1833-1905) ist inzwischen für chinesische Germanisten kein fremder Name. In seinen Tagebüchern aus China zeichnete er seine Entdeckungsreisen zwischen 1868 und 1872 durch China auf. Er berichtete, was ihn besonders interessierte und beeindruckte. Ein Kasperle-Theater, das er sich auf seinem Weg nach Beijing ansah, fand darin seinen Niederschlag:

„Heute nun wurden zwei Frauen vorgeführt, die beide einen Mann heiraten wollen. […] Eine Frau bringt ein Kind vor, das sie von dem Manne habe; die andere beansprucht es als das ihre. Der Mandarin entscheidet endlich, daß die Frauen das Kind bei je einem Fuß packen und es dann auseinanderreißen sollen; die den größeren Teil habe, solle den Mann heiraten. Die eine der Frauen willigt ein, die rechte Mutter sträubt sich und fällt auf die Kniee. Ihr werden Kind und Mann zugesprochen, die andere bekommt vom Mandarin eine Tracht Prügel.“ (Tagesbücher aus China, B.1, S.266)

Nachdem Richthofen sich das Kasperle-Theater angesehen hatte, war er von der „Inszenierung des Salomonischen Urteilsspruchs“ beeindruckt. Er fragte sich: „Woher haben die Chinesen diesen Stoff?“ Als Christ war Richthofen vertraut mit der Geschichte, in welcher der intelligente König Salomo auf ungewöhnliche Weise über den Fall entscheidet. Desto neugieriger wurde er, als er dem ähnlichen Stoff in einer völlig fremden Kultur begegnete.

In China ist dieser überlieferte Stoff „zwei Mütter eifern um ein Kind“ vielfach bearbeitet. Als die bekannteste Version gilt wohl Li Xingdaos „Kreidekreis“, eine Zaju (杂剧) in der Yuan-Dynastie. Diese wurde im Jahr 1876 von Wilhelm de Fonseca ins Deutsche übersetzt und ist seit seiner Uraufführung in Deutschland viel gefragt. Im Jahr 1948 veröffentlichte Bertolt Brecht den berühmten Kaukasischen Kreidekreis, der in vieler Hinsicht von Li Xingdaos Stück geprägt ist.

Diese Parallelen in unterschiedlichen Kulturen sind es wert, genau untersucht zu werden. Dies ist ein Beweis für die Gemeinsamkeit der Menschheit: Die allgemeinen Tugenden – Sehnsucht nach der Weisheit und Würdigung der Mutterschaft – werden immer geschätzt. Genau diese in der Menschheit tief verwurzelte Universalität ermöglicht trotz Missverständnisse und Unterschiede der nationalen Kulturen die zwischenmenschliche Verständigung.

(Verfasserin: Masterstudentin der Germanistischen Fakultät)

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