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Hab Mut, Fehler zu machen


03 December 2019 | By Liu Shanlin | SISU

Was ist die größte Differenz zwischen dem Bildungssystem in Deutschland und China?“ Mir wird immer wieder diese Frage gestellt, seit ich von Deutschland nach China zurückgekommen bin. Mein Cousin und meine Cousine, die sich in der Schule sehr anstrengen müssen, sind darüber am neugierigsten. Aber diese Frage ist, um ehrlich zu sein, sehr schwer zu beantworten. Verschiedene Denkweisen, soziale Kontexte und Wertsysteme sind im Spiel. All diese Faktoren zu beschreiben, scheint unmöglich zu sein und ich möchte hiermit versuchen, auf einen Punkt, der mir besonders auffällt, einzugehen: Nämlich die Angst vor Fehlern.

In China wird von Schülern und Studierenden erwartet, keinen Fehler zu machen. Sie sollen immer das machen, was richtig ist. Dieser Gedanke prägt sich schon ein, wenn wir den Kindergarten besuchen. Die Lehrerin freut sich, wenn wir die richtige Antwort sagen und runzelt die Stirn, wenn wir Fehler machen. Nichts macht die Eltern fröhlicher als ein hoch benotetes Prüfungsblatt, und sie geraten außer sich vor Freude, wenn es fehlerfrei ist. Nach und nach bekommen wir Angst vor Fehlern und wir bemühen uns, alles richtig zu tun.

Daran lässt sich eigentlich nichts kritisieren, denn damit haben wir sogar einen guten Ruf gewonnen. „Die Studenten aus China bekommen immer die besten Noten“, sagte mir mein Professor an der Universität Heidelberg. „Sie können Fehler auf dem Prüfungsblatt nicht dulden. Sie versuchen immer, perfekt zu sein.“

Aber die Angst vor Fehlern kann auch negative Auswirkungen haben, besonders wenn es auf das Sprachenlernen ankommt. Ich zum Beispiel hatte große Angst vor Fehlern, als mein Austauschstudium in Deutschland begann. Im Proseminar sagte ich fast nichts. Schweigend saß ich da und hörte zu, während meine Mitstudierenden diskutierten. Ich wollte natürlich auch daran teilnehmen, aber die Angst, dass ich was Falsches sagen und mich blamieren könnte, hielt mich mehrmals auf.

Im Laufe der Zeit ist die Situation besser geworden: Ich habe mein Sprachniveau erhöht und versucht, meine Denkweise zu ändern. In diesem Zusammenhang möchte ich eine Person erwähnen, die mir dabei half, meine Angst vor Fehlern loszuwerden.

Am „Tandemabend“ habe ich Aaron kennengelernt. Aaron kommt aus Kanada und ist nach Deutschland gefahren, um die Sprache zu lernen. Ich hatte noch niemanden gesehen, der Deutsch schlechter sprach als Aaron: Er kannte weniger als 50 deutsche Wörter und hatte die Aussprache noch nicht richtig gelernt. Er konnte nichts anderes sagen als die einfachsten Sätze wie „Wie bist du?“ (Er dachte, dass es „How are you?“ bedeutet). Trotzdem redete er selbstbewusst mit dem auffälligen Akzent seiner Heimat. In jedem Satz, den er sagte, gab es mindestens drei Fehler. Wenn ich Aaron wäre, würde ich lieber schweigen.

„You speak really good German. Why don’t you talk to them?“, fragte er mich.

Ich beneidete ihn um seinen Mut, aber seiner Lernmethode konnte ich eigentlich nicht völlig zustimmen. Direkt mit den Muttersprachlern zu reden, bevor man die Grammatik lernt und die Aussprache beherrscht? Aber Aaron sagte, dass diese Methode sehr gut funktioniert hat. Er spricht vier Sprachen – Englisch, Italienisch, Spanisch, Französisch – und die letzten drei Sprachen hat er durch Konversationen beherrscht. Jetzt wollte er die fünfte Sprache lernen.

Aarons Methode hat natürlich auch ihre Schwäche. Er gab zu, dass er Französisch nur flüssig sprechen, aber von Nachrichten, Literatur und Fachtexten fast nichts verstehen könne. „I’m only good at speaking“, sagte er. Trotzdem hat er mich mit seiner furchtlosen Mentalität sehr beeindruckt. Ich denke, dass diese Mentalität für chinesischen Studenten auch wichtig ist.

„Just don’t be afraid“, sagte er. „Hab nur Mut, Fehler zu machen“, übersetzte ich.

(Verfasser: Germanistikstudent des 4. Jahrgangs; Korrektur: C. H. Y. & D. Ü.)

 

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