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Der selbe Fuchs, verschiedene Darstellungen


01 May 2018 | By Chang Xueshu | SISU

Während meines Auslandssemesters in Heidelberg meldete ich mich beim Kurs „Darstellung des Tieres in der Literatur und Malerei“ an. Am Ende des Semesters musste jeder Teilnehmer ein Referat halten, das inhaltlich mit unserer Vorlesung zu tun hatte. Nach einiger Überlegung beschloss ich, ein Referat über die vergleichende Darstellung des „Fuchses“ in der alten chinesischen und der deutschsprachigen Literatur zu machen.

Als Beispiel für deutschsprachige Literatur wählte ich Goethes Roman „Reineke Fuchs“, in dem erzählt wird, wie sich der Übeltäter Reineke, der Fuchs, durch geniale Lügengeschichten und ausgesuchte Bosheiten aus allen prekären Lagen rettet und sich am Ende gegen seine Widersacher als Sieger durchsetzt. Der Reineke Fuchs, aus Goethes Feder als der schlauste, listigste Geselle dargestellt, kann als typische, repräsentative Fuchs-Figur der ganzen deutschsprachigen Literatur betrachtet werden.

Der deutsche Schriftsteller Dietrich Schmidtke hat in seinem Buch „Geistliche Tierinterpretation in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters“ folgendes geschrieben: „Der Fuchs wird am öftesten von allen Caniden im christlichen Mittelalter mit dem Teufel verglichen. Weiters ist der Fuchs Sinnbild für Häretiker, falsche Propheten und Juden.“ Selbst heute steht der Fuchs für falsche, betrügerische Menschen. Aber die Rolle des Fuchses in der chinesischen Literatur ist eher zwiespältig.

In der alten Zeit waren die Chinesen von der Verwandlungsfähigkeit des Fuchses überzeugt. Man glaubte, dass ein tausendjähriger Fuchs zum Himmel aufgestiegen war und dort zu einem himmlischen Fuchs wurde. Dadurch entstand der Fuchs-Kult und man verehrte zu Hause den Fuchsgott. Interessant ist aber, dass dem Fuchs einerseits Göttlichkeit verliehen und er zugleich aber auch als Verführer dargestellt wurde. Der tausendjährige Fuchs hatte die Fähigkeit, sich in eine wunderschöne Frau zu verwandeln. Ein typisches Beispiel ist die Figur Su Daji (苏妲己) im Roman „Fengshen Yanyi“ (封神演义), die als Fuchs mit neun Schwänzen dargestellt wird. Ihre verführerische Schönheit machte sie zur Lieblingskonkubine des Kaisers und führte die Herrschaft in den Untergang. Im Gegensatz dazu setzte sich in der alten chinesischen Literatur ein anderer Typus der Fuchsdarstellung durch, nämlich als liebenswürdige Fee. Der Romanschriftsteller Pu Songling (蒲松龄) hat  beispielsweise in seiner Novelle „Das Fuchsmädchen“ (狐女) eine schöne, gütige Fuchsfee  dargestellt, die keine Angst hatte, mit einem Menschen ein Liebesverhältnis einzugehen und opferbereit war, um für Freiheit und Liebe zu kämpfen.

Warum wird der Fuchs in der alten chinesischen Literatur sowohl als guter als auch als verführerischer Charakter dargestellt? Ich würde vermuten, dass es etwas mit der chinesischen Kultur zu tun hat. Nach der chinesischen Wertvorstellung sind alle Wesen von den kosmologischen Prinzipien „Yin“ und „Yang“ belebt und beseelt. „Yin“ ist weiblich und dunkel, während „Yang“ männlich und hell ist. In dieser Hinsicht kann man dem Fuchs schlechte Eigenschaften wie Schlauheit, Argwohn, Schmeichelei und Sinnlichkeit zuschreiben und zugleich verkörpert der Fuchs positive Charakteristika wie Tapferkeit, Liebenswürdigkeit und Opferbereitschaft.

Daran zeigten meine deutschen Mitstudenten unheimlich großes Interesse, weil sie kaum damit gerechnet hatten, dass die Darstellung des Fuchses in unserer Kultur so anders sein kann als in Deutschland. Das ist wohl der Grund, warum die Literatur so einen unwiderstehlichen Charme ausstrahlt.

(Verfasserin: Germanistikstudentin des 3. Jahrgangs; Korrektur: C. H. Y. & A. P.)

 

 

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