Dienstagnacht. Endlich habe ich Zeit, Anna zu besuchen. Wir waren beste Freundinnen an der Uni, aber jetzt haben wir uns schon lange nicht mehr gesehen. Damals haben wir uns immer gegenseitig anvertraut … Ja, ich kann jetzt vielleicht auch mit ihr meinen Kummer teilen …

Mittwochnacht. Heute Nachmittag hat Anna mich im Hotel besucht. Hm. Eigentlich habe ich gedacht, sie würde mich zu ihr nach Hause einladen. Wir haben durch die Stadt gebummelt. Zum ersten Mal bin ich in dieser Stadt. Alles ist interessant. Vielleicht auch deshalb, weil ich mich fern meiner Familie etwas besser fühle. Seit einer Woche stehe ich unter sehr großem Druck. Allerdings ist Anna ein bisschen traurig, wenn ich mich mit meiner Vermutung nicht irre- morgen kann ich sie vielleicht irgendwie unterhalten.

Donnerstagnacht. Heute habe ich Anna viel über meine Kinder erzählt. Mit meinen drei ungezogenen Kindern ist es bei mir zu Hause immer ziemlich chaotisch. Ich beneide fast Anna, dass ihr Rudölfchen ruhig zu Hause bleiben kann und dass sie nach dem Kinderkriegen noch viel Freiheit hat. Das ist zum Teil ihrem Mann zu verdanken – traurigerweise ist er gestorben, aber er war immer sehr zuverlässig und verdiente sehr viel Geld. Im Vergleich zu meinem Mann … lieber soll ich nicht an ihn denken. Und ich kann meine Kinder gar nicht allein zu Hause lassen. Sie werden alles zerstören! Deshalb musste ich meine Eltern bitten, zu mir nach Hause zu kommen, um sich um die Kinder zu kümmern, bevor ich zu Anna komme. Aber vielleicht habe ich zu viel von mir erzählt? Anna schien etwa aufgeregt zu sein. Morgen sollen wir etwas anderes reden.

Freitagnacht. Am Nachmittag habe ich Rudolf erwähnt und ich hatte den Eindruck, dass sie nicht zugehört hat. Was ist passiert? Ich hatte leider keine Chance, sie zu fragen. Mir wurde von meinen Eltern telegrafisch mitgeteilt, dass einer meiner Söhne schlimmes Bauchweh hat, vielleicht wegen zu viel Eis. Unangenehm, aber ich muss früher als geplant nach Hause gehen. Meine Eltern können alleine diese Situation nicht meistern. Mein Mann … Wenn ich mich nur auf ihn verlassen könnte!

Samstagabend. Heute Nachmittag habe ich Anna verlassen. Vor dem Abschied habe ich Anna nach ihrem Sohn gefragt. War sie da ein bisschen ärgerlich? Ich wusste nicht genau. Und jetzt musste ich mich wieder um meine Familie kümmern. Zum Glück ist mit meinem Sohn nichts Schlimmes passiert. Sie sind froh, dass die Mama wieder zu Hause ist, und ich bin auch froh, sie wieder zu sehen. Aber ich bin sehr kaputt.

Sonntagnacht. Heute habe ich unser Haus saubergemacht. Ja, nach meinem viertägigen „Urlaub“ war nichts zu Hause in Ordnung. Meine Eltern waren erschöpft und ich schickte sie zurück nach Hause. Wo ist mein Mann übrigens? Er ist eben mein Problem, über das ich eigentlich mit Anna sprechen wollte, aber es hat einfach nicht geklappt. Und was soll ich tun? Ich weiß es auch nicht.

(Verfasserin: Germanistikstudentin des 3. Jahrgangs)