Eigentlich wundere ich mich fast jeden Tag über diese Stadt. Ich bin erstaunt darüber, wie die Leute sich hier auf so engem Raum angenehm einrichten können. Ich bewundere, dass hier immer buntes Leben und reges Treiben herrschen, selbst wenn es nur ein abgelegener Ort am Rande der Stadt ist. Ja, diese Kreativität und Lebenskraft meine ich.

Diese zwei Eigenschaften dieser Stadt bringen automatisch Veränderungen und Umgestaltungen mit sich, welche sich in dieser Stadt voll von Tatendrang fast stündlich vollziehen. Besonders interessant ist die Umgestaltung und Umwidmung des alten Gebäudekomplexes. Tianzifang, einst ein aus Gassen bestehendes Wohnviertel ist jetzt ein komplexes Kreativviertel geworden, verschiedenste Ateliers, Galerien, Cafés und Restaurants sind dort zu finden. Die Sinan Residenz (Sinan Gong Guan), ein Gebäudekomplex von Gartenvillen, wird heute auch vielseitig genutzt. Erstklassige Restaurants, Hotels ersten Rangs und sogar Betriebe haben ihren Sitz hier. Außerdem ist es auch ein Veranstaltungsort der Shanghaier Buchmesse. Hier wirft man einen Blick ins Antlitz des alten Shanghai, denn zwischen den Gebäuden sind noch Spuren der Vergangenheit zu finden. Und man genießt das modernisierte Viertel, in dem ein Nebeneinander von Altem und Neuem, eine Vermischung vom Heimischen und Fremden existiert.

Ein stilles und schweigsames Museum für alte Gebäude braucht Shanghai nicht. Präziser gesagt, Shanghai selbst ist ein bewegendes, lebendiges, sich änderndes Kaleidoskop.

Solch ein Kaleidoskop ist mir manchmal zu verwirrend. Wenn ich einen Spaziergang entlang der Sinan-Straße mache, an der Sun Zhongshan-Gedenkhalle vorbeigehe, den Duft des Kaffees rieche, schicke Kleidungsläden besuche und dann in einem alten Shanghaier Restaurant esse, gerate ich plötzlich in ein räumliches und zeitliches Durcheinander. Befinde ich mich jetzt in Shanghai? Bin ich im 21. Jahrhundert?

Einmal übernachtete ich bei einer Freundin in ihrer Wohnung, einem typischen Apartment in einem Hochhaus. Vom Fenster aus sahen wir eine Reihe von niedrigen Häusern, offensichtlich in schlechtem Zustand, allerdings gingen noch viele Menschen ein und aus. Dieses Viertel liegt auf der anderen Seite der Straße.

„Starker Kontrast!“, sagte ich.

„Ja, vielleicht ist dort das reale Shanghai - aber es wird schnell verloren gehen“, antwortete meine Freudin.

„Das reale Shanghai? Oder, ist nicht der starke Kontrast selbst das reale Shanghai?“

Keine Antwort, es schwebte nur die Tangomusik von Astor Piazzolla in der Luft.

(Kommentar: sehr schöner, nachdenklicher, poetischer zugleich aber auch analytischer Text, der die reine Beschreibung hintersich lässt. Ein Text mit These, der sich eine Frage stellt und diese auch zu beantworten versucht. Stilistisch: Vielleicht etwas weniger Substantivierungen verwenden. Sätze dürfen auch schlichter sein. Einfacher ist oft stärker. )

(Verfasserin: Masterstudentin der Germanistischen Fakultät der SISU; durchgelesen und kommentiert von David Wagner)

18.47 Uhr, ein Laden in der Nähe vom Studentenwohnheim

Das geheimnisvolle Geheimnis

In der Bibliothek

Die Hauptverkehrszeit in der U-Bahn

U-Bahn-Linie 9

An der Bushaltestelle

Landung um Mitternacht