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Das geheimnisvolle Geheimnis


29 November 2016 | By Liu Yue | SISU

Wie sieht sie aus? Der Junge, der an einem Fenster sitzt, denkt, träumt und phantasiert. Es ist Morgen, aber draußen noch ziemlich dunkel. Riesige, graue, streifenförmige Wolken, die ihn an den Arm von ihr, den schneeweißen Arm von Shanghai erinnern, bedecken den Himmel. Er traf Shanghai in der Kindheit auf einer alten Straße, die vom Dampf des Huntun-Standes umgeben war. Die Szene kann er sich nicht detailliert ins Gedächtnis zurückrufen. Jedoch fallen ihm einige Kleinigkeiten immer wieder ein. Das Geräusch der Stöckelschuhe, das regelmäßig, immerwährend in der schmutzigen Gasse erklang. Der feine Arm, an dem ein Jadearmband zu sehen war. Das rosarote, schmale chinesische Etuikleid, das sie elegant, aber auch wild machte. Sie ging an ihm vorbei, mit leichtem Duft der Orchidee. Ein kleines Mädchen trug sie auf dem Arm. Es ist ihre eigene Tochter, kluge Augen, geschlossener Mund, kurze, moderne Frisur, gerade wie die Mutter, nur etwas kleiner, viel kleiner, aber zugleich hochmütig. Er merkte es noch nicht, da ging Shanghai schon an ihm vorbei, ohne einen Blick auf ihn zu werfen, wie eine Göttin oder ein Gespenst. Das kleine Mädchen schmiegte sich an die Mutter, um den Kontakt mit dem Jungen zu vermeiden. Eigentlich lächelte er, aber dieses Lächeln erstarrte schließlich auf seinem Gesicht. Jetzt zweifelt er immer, ob er damals lächelte. Im Lauf der Zeit vergisst man viel, sogar das, was wesentlich ist.

Dieses Treffen ereignete sich vor vielen Jahren, die genaue Jahreszahl weiß er nicht mehr. Jetzt ist er nicht mehr der schüchterne Junge, innerlich ist er viel stärker geworden. Er sehnt sich nach der unerreichbaren Frau, deren Gestalt er an jedem Ort und zu jeder Zeit zu sehen glaubt. Seine Sehnsucht kann man fast mit Hysterie vergleichen. Einige Male stieß er auf der Straße unabsichtlich mit jemandem zusammen, den er überhaupt nicht kannte. Und schrie fast im gleichen Augenblick laut den Namen „Shanghai“ aus. Er brauchte immer lange Zeit, um zu verstehen und innerlich zu akzeptieren, dass alles nur eine Illusion war.

In den letzten Jahren hat er viel über Shanghai gehört, dass sie noch immer so schön, geheimnisvoll und graziös sei, dass sie Model von Beruf sei, dass sie mehrere Kinder adoptiert habe, deren Alter, Hauptfarbe, Geschlecht, Akzent unterschiedlich seien, dass alle Kinder harmonisch miteinander lebten, dass sie jeden willkommen heiße, der ihr einen Besuch mache. Er sah sie einmal zufällig auf einem großen Foto in einem Zeitungsartikel. Auf dem Foto steht sie vor unzähligen Hochhäusern, unter blauem Himmel. Es gibt keine enge Gasse mehr. Das Foto ist von hinten fotografiert, deshalb ist es unmöglich, ihr Gesicht genau zu betrachten. Der Minirock passt ihr gut, dachte er.

Aber eigentlich ist ihm fast alles egal.

Die Fahrkarte in der Hand haltend, denkt, träumt und phantasiert er, ob sie ihm dieses Mal ein Lächeln zurückgeben wird. Dieses geheimnisvolle Geheimnis.

(Ein sehr guter Text! Sprachlich außergewöhnlich. Phantasievoll. Sehr reif! Den Vorschlag mit der indirekten Rede mache ich nur, weil der Stil schon so avanciert ist. An einigen Stellen erklären sie  zu viel. Gar nicht nötig. Großartig!)

(Verfasserin: Masterstudentin der Germanistischen Fakultät der SISU; durchgelesen und kommentiert von David Wagner)    

 

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