In der Großstadt findet der Umzug der Ameisenmenschen täglich zweimal statt. Morgens kribbeln sie zur Arbeit und abends nach Hause. Damit sind die U-Bahnwagen immer überfüllt.

An dieser Station kann man umsteigen. Die U-Bahn hält, die Tür aber noch nicht geöffnet. Viele gefühllose Gesichter stehen, warten und starren auf beiden Seiten der Glastür einander an. Sie berechnen, wie sie beim Ein- oder Ausstieg am schnellsten reagieren können, so dass ihre Fersen in der letzten Sekunde doch auch im Waggon sind oder ihre Taschen nicht noch hinten im Menschengewühl steckenbleiben.

Die Tür wird wieder geschlossen. Die Menschen, die erfolgreich eingestiegen sind, können sich aber nicht locker machen, weil sie eine angenehme Position finden müssen, obwohl es unmöglich scheint. Füße treten auf Füße, Beine stoßen an Knie, Tailen an Hüften. Die Brust einer Frau hängt unter der Nase eines Mannes, während der Mund des Mannes am Ohr einer Frau klebt, sein Atem kratzt ihren Hals. Die meisten Fahrgäste sind Angestellte und arbeiten in einem der Hochhäuser im Stadtzentrum. Innerhalb der Arbeitszeit sind sie durch höfliches und förmliches Verhalten ausgezeichnet, aber jetzt müssen sie sich ganz eng aneinander lehnen. Es ist ihnen aber nicht peinlich.

Oder doch vielleicht? Denn sie vermeiden jeden Blickkontakt und tun so, als ob sie sich große Gedanken machten oder sich nur auf ihre Handys und ihre Tablets konzentrierten odder gar ihre Spiegelbilder bewunderten.

Die nächste Station wird erreicht. Fahrgäste fließen aus der Wagentür. Sie gehen fort, ohne sich umzusehen. Einige Stunden später werden sie wieder da sein.

(Sehr schöne Beschreibung des Gedränges! Sehr gutes Vokabular! Lob! Gute Analyse! Sehr gut!)

(Verfasserin: Bachelorstudentin des 3. Studienjahrgangs der Germanistischen Fakultät der SISU; durchgelesen und kommentiert von David Wagner)

Oblivion

Das geheimnisvolle Geheimnis

In der Bibliothek

18.47 Uhr, ein Laden in der Nähe vom Studentenwohnheim

U-Bahn-Linie 9

An der Bushaltestelle

Landung um Mitternacht

David Wagner: Ein Bild der Stadt Berlin

David Wagner: Ein Bild der Stadt Shanghai