Am 26. Mai 2023 hielt Prof. Dr. Bao Xiangfei der Universität Wuhan an der Shanghai International Studies University ein Referat über den Stellenwert der Lyrik in der westlichen Literaturgeschichte.

Im Vergleich zur Poesie in China, der seit alters hoher Wert beigemessen wird, fand diese literarische Gattung lange Zeit im Westen eher wenig Beachtung. Grund dafür könnten die vom Rationalismus ausgeprägten Erkenntnisse sein: Was rational ist, gilt als real, generell, objektiv und ewig. Davon ausgehend nahm die lyrische Poesie nur eine Randstellung ein.

Beispielsweise bezeichnete Plato die Poesie als wertlose Kunst, die durch Nachahmung entstünde. Jedoch maß Aristoteles der Dichtkunst eine größere Bedeutung bei. Seiner Meinung nach bedeutete die Nachahmung nicht einfach Kopieren, sondern eine schöpferische Kraft. „Durch Aristotle wird die Dichtkunst aufgewertet“, so Professor Bao.

Dennoch hatte die Dichtung immer einen geringeren Stellenwert als das Drama. Beeinflusst von Aristoteles, versuchten zwar große Dichter und Schriftsteller wie Lessing, Goethe und Schiller, die Inhalte der Poesie zu erweitern, aber die Lyrik fand als unbedeutender Zweig der Dichtkunst nach wie vor wenig Anerkennung.

Der grundlegende Wandel ist Nitzsche und Rilke zu verdanken. Beide glaubten, dass die Lyrik objektiver als Rationalismus sei, weil der Dichter als dionysischer Künstler für das „Ureine“ stehe. Gleichzeitig gelte die Lyrik ihnen als Mittel zum Zuhören und Bekennen, wodurch man in seine innere Seele gelangen könnte.

„Dank ihnen wird die lyrische Dichtkunst in den Vordergrund gerückt“, so betonte Prof. Bao Xiangfei noch einmal die Beiträge von Nitzsche und Rilke zur Entwicklung der Poesie.

(Verfasserinnen: Masterstudentinnen der Germanistischen Fakultät)