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Prof. Erich Thies: Flucht und Zuflucht – Historische Pflicht und heutige Verantwortung
07 October 2016 | By Liu Yuan | SISU
Am Nachmittag des 30. September 2016 hielt Herr Prof. Dr. Erich Thies auf dem Hongkou- Campus einen Vortrag mit dem Titel „ Flucht und Zuflucht– Historische Pflicht und heutige Verantwortung“. Prof. Dr. Erich Thies war mehrere Jahre Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur und war von 1998 bis 2011 Generalsekretär der Kultusministerkonferenz der Bundesrepublik Deutschland. Seinem Vortrag folgten Doktoranden, Masterstudenten sowie mehrere Gaststudenten der SISU.
Der einstündige Vortrag war eine echte Bereicherung. Er griff zunächst auf die zwei Weltkriege zurück. Am Ersten Weltkrieg war Deutschland wesentlich beteiligt und den Zweiten löste es sogar aus. Genau wie die Deutschen für die Verfolgung der Juden und den Holocaust Verantwortung tragen, sollte Deutschland heutzutage auch Verantwortung für die Kriegsflüchtlinge übernehmen, die Zuflucht dort suchen, und zwar eben aus moralischen Gründen, so meinte Professor Thies. Gerade dies würde zu wenig von der deutschen Presse angeschnitten. Nur wenige Persönlichkeiten wie der Bundespräsident Gauk wiesen einmal darauf hin. Damit wollte er die besondere Verantwortung der Deutschen in der Flüchtlingskrise sichtbar machen, die Deutschland aus seiner Geschichte erwachse.
Er stellte das Gegensatzpaar „ Flucht“ und „ Zuflucht“ vor, wobei er den Begriff „ Zuflucht“ besonders hervorhob. Leider besteht in Deutschland keine Tradition, Ort der Zuflucht zu sein. Das heißt, mit immer weniger Wortverwendungen verschwinde der Begriff allmählich, so Prof. Thies. Danach ging er auf die heutige Flüchtlingssituation ein: 60% der deutschen Bevölkerung begrüßten die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel, während 40% eine diffuse Menge präsentierten, die sich mit der Politik nicht zufrieden zeigte. „ Solche Spaltung habe ich im Leben noch nie erlebt. Einerseits zivilisiertes Engagement, andererseits Widerwille“, gab Prof. Thies zu.
In diesem Zusammenhang warf er einen Blick nach Shanghai. Ende 30er Jahre des 20. Jahrhunderts wählten viele Juden Shanghai als Zufluchtsort, weil die anderen Länder wie Amerika, die Schweiz, Österreich und Argentinien ausdrücklich ablehnten, sie aufzunehmen. Dagegen war es möglich, ohne Visum nach Shanghai zu reisen. Prof. Thies erwähnte noch eine Umfrage ( Refugees Welcome Index), nach der China ganz oben auf der Liste der Länder stehe, in denen man sich bereit erklärt, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. „ Das überrascht auch nicht weiter, denn in China spielen Familie und Gastfreundschaft eine große Rolle“, so Prof. Thies.
Die Studierenden waren von diesem Vortrag begeistert und stellten an Prof. Thies Fragen über die Integration der Flüchtlinge, Gesetzgebung der Flüchtlingskontrolle, Islamismus, Vollverschleierung usw. Zum Schluss ermutigte er die Studierenden, die Bedenken bezüglich der heutigen Sicherheit in Deutschland hegten, sorgenfrei nach Deutschland zum Studium zu kommen. Als ein Student die Ereignisse in Würzburg und Ansbach erwähnte, meinte Prof. Thies, dass so etwas von Einzelpersonen verursacht würde, die an psychischen Krankheiten litten oder nur kürzlich mit dem IS Kontakt aufnahmen. Dies habe es schon früher in Deutschland gegeben. „ Es waren nicht die Leute, die politisch lange radikal geworden sind, also nicht wie die Terroranschläge in Frankreich.“
Zum Schluss zitierte Prof. Thies Hegel: die Sprünge auf der quantitativen Ebene führen zur qualitativen Wandlung. Dies gilt sowohl in der Natur als auch in den sozialen Verhältnissen. Deutschland hat in der Vergangenheit auch schon immer Flüchtlinge aufgenommen. Doch heutzutage erreicht es eine andere qualitative Dimension. Er sah die Flüchtlingsprobleme als eine Chance für die Deutschen an, das Selbstverständnis Deutschlands grundlegend zu verändern und neu zu prägen, was die Wiedervereinigung nicht erreicht hat. Es entstünden in Zukunft sicher auch viele Probleme, aber Deutschland müsste sich anpassen. Er glaube, dass Deutschland mit seinem stabilen Rechtssystem eine solide Voraussetzung besitzt, die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen. Seine optimistische Auffassung und vernünftige Begründung berührten die Anwesenden. Nach dem Vortrag setzte stürmischer Applaus ein.
(Verfasserin: Doktorandin der Germanistischen Fakultät der SISU; Korrektur: C. H. Y. & Gabriele Otto)
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